Kirchliches Arbeits(un)recht auf dem Prüfstand – Legale Diskriminierung am Arbeitsplatz?!

Bericht der Online-Veranstaltung vom 2. Dezember bei den Düsseldorfer Jusos, AsJ, AFA, ASF, ASG und Säkularen Sozis

Am 2.12. fand die von langer Hand geplante und mit großer Spannung erwartete Veranstaltung der Jusos Düsseldorf zum Thema „Kirchliches Arbeits(un)recht – Legale Diskriminierung am Arbeitsplatz!?“ online und unter großer Beteiligung statt.

In Kooperation mit AsJ, AFA, ASF und ASG in Düsseldorf sowie dem Netzwerk der Säkularen Sozis Düsseldorf/Mettmann war es den Jusos der NRW-Landeshauptstadt gelungen, Mario Gembus, Mitarbeiter der ver.di-Bundesverwaltung in Berlin und dortiger Ansprechpartner für Kirchen, Diakonie und Caritas, als fachkundigen Referenten für diesen Themenabend zu gewinnen. Bevor Mario Gembus mit seiner Präsentation starten konnte, hatte die neu in den Bundestag gewählte Düsseldorfer Genossin, Juristin und langjährige Gewerkschaftssekretärin, Zanda Martens, Gelegenheit, eine kurze thematische Einführung zu geben.

Die frischgebackene Bundestagsabgeordnete lenkte den Blick dabei auch auf den entsprechenden Passus des aktuellen Koalitionsvertrags. Die dort verwandte Formulierung einer „Prüfung“ des kirchlichen Arbeitsrechts „gemeinsam mit den Kirchen“ (Koalitionsvertrag, S. 71) bewertete sie sinngemäß als eine eher weiche und zu wenig konkrete Aussage.

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Kirchliches Arbeits(un)recht – Legale Diskriminierung am Arbeitsplatz?!

Online-Veranstaltung der Jusos Düsseldorf am Donnerstag, 2. Dezember 2021, 19:00 Uhr

Nach dem öffentlichen Dienst sind die beiden christlichen Kirchen mit ihren Wohlfahrtsverbänden mit rund 1,8 Millionen Arbeitnehmer*innen die größten Arbeitgeberinnen in der Bundesrepublik. Und obwohl die Arbeit der Wohlfahrtsunternehmen – wie bei nicht-konfessionellen Trägern – insbesondere aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, unterliegt sie einem umfassenden Sonderstatus im Arbeitsrecht.

So erstrecken sich die kirchlichen Privilegien hier beispielsweise auf Einschränkungen bei Mitbestimmung und im Streikrecht; das Betriebsverfassungsgesetz findet keine Anwendung. Anstelle von Tarifverträgen gilt in den kirchlichen Einrichtungen zumeist der sogenannte „Dritte Weg“. Die arbeitsrechtliche Diskriminierung erstreckt sich zum Teil bis in die Privatsphäre der Arbeitnehmer*innen. Trotz eines Bundesparteitagsbeschlusses der SPD von 2013 in Leipzig zur Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts fehlt bislang leider die politische Initiative in unserer Partei. Dies könnte sich nun im Rahmen der Koalitionsverhandlungen und einer möglichen künftigen Ampelkoalition ändern.

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„Es gibt keinen vernünftigen und fairen Grund für ein besonderes kirchliches Arbeitsrecht“

Impulsbeitrag von Martin Nestele

Mein Name ist Martin Nestele. Ich arbeite in der Altenpflege. Bin Mitarbeitervertreter in einer diakonischen Einrichtung und stellvertretender Landesfachbereichsvorsitzender, FB3 von ver.di-Baden-Württemberg. Zudem kenne ich auch als Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Württemberg den 3. Weg und das kirchliche Arbeitsrecht ganz praktisch.

Mit dem „Weg“ ist der Weg der Arbeitsrechtssetzung der Tarife gemeint. Wenn es den 3. Weg gibt, dann gibt es mindestens noch 2 andere Wege:

  1. Weg: Festlegung zwischen einzelnem Arbeitgeber und Arbeitnehmer/in, sprich AG diktiert
  2. Weg: Gewerkschaft und Arbeitgeberverband handeln TV aus
  3. Weg: Aufgrund eines kirchlichen Gesetzes wird in sogenannten Arbeitsrechtlichen Kommissionen verhandelt: Paritätisch besetzt aus Dienstgebern und MAV-VertreterInnen. Ohne Streik und Aussperrung. Zusammensetzung und Spielregeln über ein kirchliches Gesetz.
    Ergebnis sind hier nicht Tarifverträge, sondern sogenannte Arbeitsvertragsrichtlinien, die auch nicht die rechtliche Qualität von Tarifverträgen haben.

Der 3. Weg kennt keine Tarifverträge und kein Betriebsverfassungsgesetz.
Das Betriebsverfassungsgesetz gilt für Religionsgemeinschaften und ihre caritativen Einrichtungen nicht. Das Betriebsverfassungsgesetz schließt in § 118, Abs. 2 Religionsgemeinschaften von der Anwendung aus.

Grundlage dafür ist im Grundgesetz das Recht von Religionsgemeinschaften auf die Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten. Das steht im Artikel 140 GG. Dort steht, dass die entsprechende Regelung aus der Weimarer Reichsverfassung für das GG übernommen wurde. Juristinnen und Juristen streiten sich darüber was das konkret bedeutet. Die Kirchen haben es jedenfalls im Laufe der Zeit in der Bundesrepublik geschafft, dafür zu sorgen, dass dieses Recht auch auf das Arbeitsrecht für die Beschäftigten in Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas ausgeweitet wurde. Eben auf die Betriebsverfassung, die Unternehmensmitbestimmung und das Tarifrecht. Als ideologische Begründung dient dazu eine sogenannte „Dienstgemeinschaft“. Man will damit letztlich darlegen, dass es bei Kirchen, Diakonie und Caritas keine Interessenunterschiede zwischen Kapital und Arbeit gäbe.

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Kirchliches Arbeitsrecht – ein Pflegefall? Online- Veranstaltung im April

Zur Situation des Sondertarifrechts der Kirchen am Beispiel der Pflege – 22. April, 19.30 Uhr

Der Beschluss der Caritas im Februar diesen Jahres, einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Pflege nicht zuzustimmen, hat für Furore gesorgt. Gewerkschaften und andere Verbände haben diese Verhinderung eines Flächentarifvertrages für Pflegekräfte kritisiert. Basis dieser Entscheidungsfindung ist das sogenannte kirchliche Arbeitsrecht, das im Tarifrecht eine Zustimmungspflicht der arbeitsrechtlichen Kommissionen der Kirchen vorsieht. Ist dieses Sonderrecht für Kirchen in Sachen Tarifverträge noch zeitgemäß? Können Tarifverträge Ausbeutung in der Pflege verhindern? Wie ist die Situation in Baden-Württemberg?

Mit Martin Nestele (stellvertretender ver.di-Landesfachbereichsvorsitzender und Vorstand AVMAG, Diakonie Württemberg) und Nils Opitz-Leifheit (Präsidium des AWO Bundesverbandes und Bezirksvorsitzender AWO-Württemberg).

Moderation: Adrian Gillmann (Säkulare Sozis BaWü und GEW)

In Kooperation mit dem DGB Heidelberg Rhein-Neckar

Christlich – heilig – scheinheilig?

Ein Kommentar von unserem Sprecher Horst Hoffmann (Schleswig-Holstein)

DIE CARITAS, ein zu etwa zu 5 % durch Kirchensteuer, aber zu 95 % aus den Krankenkassen und Pflegekassen fnanziertes Unternehmen der katholischen Kirche, sieht ihren Einfluss gefährdet – da fällt der christliche Anspruch auf Nächstenliebe schon mal in zweckdienliche Vergessenheit. Kein Wunder verurteilt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) die Ablehnung der Caritas.

ver.di verurteilte die Ablehnung der Caritas scharf und warf ihr Scheinheiligkeit vor. „Die Caritas handelt mit dieser Entscheidung in krassem Widerspruch zu ihren eigenen sonstigen Aussagen und Werten, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Bedeutung sozialer Dienste geht“, erklärte Vorstandsmitglied Sylvia Bühler und kritisierte die Arbeitgeberseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission, die mit der Ablehnung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, für bundesweit bessere Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zu sorgen, nicht nachkomme. „Das ist ein schlimmes Signal für die Beschäftigten in der Altenpflege“, betonte Bühler.

Quelle: Vorwärts

Schluss mit lustig, denn faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen in der Altenpflege und allen anderen Caritas-Angeboten möchten die Caritas-Vertreter nach Gusto selber bestimmen. In der gewohnten Sprech- und Denkweise der katholischen Kirchenvertreter, die für sich beanspruchen, die Welt in Gut und Böse einteilen zu können, sind alle Bemühungen einer aufgeklärten Gesellschaft, zum Beispiel mit Tarifverträgen ein Stück mehr Gerechtigkeit in abhängig beschäftigte Arbeitsverhältnisse zu bringen, anscheinend Teufelswerk.

Im Klartext: Hier wollen ihnen böse Tarifparteien ein Stück Einflusssphäre wegnehmen. Wir säkulare Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden weiter an der Seite der ca. 700.000 abhängig Beschäftigten der Caritas stehen und deren Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und Löhne durch Abschluss allgemeinverbindlicher Tarifverträge unterstützen.