Kotau vor den Kirchen – Quo vadis, SPD?

Ein Kommentar von Dr. Sabrina Seidler (NRW) und dem Sprecherkreis der Säkularen Sozis NRW (hpd)

So erfreulich viele Punkte des Koalitionsvertrags für die Genossinnen und Genossen auch sein mögen, so bitter ist manche Pille, die es gleichzeitig zu schlucken gilt: Der Umgang der SPD insbesondere mit dem System des kirchlichen Arbeitsrechts ― auch bekannt als „Dritter Weg“ ― offenbart, welche außerparteilichen Lobbyvertreter und innerparteilichen Kontaktleute sich bei der Formulierung des Koalitionsvertrages durchgesetzt haben.

Die beiden christlichen Kirchen in Deutschland beschäftigen über ihre Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Diakonie und ihre Wirtschaftsunternehmen mindestens 1,3 Mio. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ca. 55.000 Einrichtungen. Damit sind sie nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber. Die Finanzierung der meisten Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft (Krankenhäuser, Altenheime) erfolgt dabei zu 100% aus öffentlichen Mitteln, selbst das „Aushängeschild“ Kindergärten wird nur zu einem sehr geringen Teil kirchlich bezuschußt.

In diesen Einrichtungen gilt ein eigenes, kirchliches Arbeitsrecht, was die Angestellten zu Arbeitnehmern minderen Rechts macht. Aus naheliegenden Gründen sollte die Beseitigung dieser Form der Diskriminierung an und für sich ein Herzensthema der SPD sein. So äußert sich auch die Juristin und ehemalige Spitzenpolitikerin der SPD, Ingrid Matthäus-Maier, Sprecherin der 2012 gegründeten Initiative GerDia: „Die offensive Ausgrenzungspolitik kirchlicher Betriebe ist ein Skandal, der nicht weiter hingenommen werden darf.“

„Kotau vor den Kirchen – Quo vadis, SPD?“ weiterlesen

Kirchliches Arbeits(un)recht auf dem Prüfstand – Legale Diskriminierung am Arbeitsplatz?!

Bericht der Online-Veranstaltung vom 2. Dezember bei den Düsseldorfer Jusos, AsJ, AFA, ASF, ASG und Säkularen Sozis

Am 2.12. fand die von langer Hand geplante und mit großer Spannung erwartete Veranstaltung der Jusos Düsseldorf zum Thema „Kirchliches Arbeits(un)recht – Legale Diskriminierung am Arbeitsplatz!?“ online und unter großer Beteiligung statt.

In Kooperation mit AsJ, AFA, ASF und ASG in Düsseldorf sowie dem Netzwerk der Säkularen Sozis Düsseldorf/Mettmann war es den Jusos der NRW-Landeshauptstadt gelungen, Mario Gembus, Mitarbeiter der ver.di-Bundesverwaltung in Berlin und dortiger Ansprechpartner für Kirchen, Diakonie und Caritas, als fachkundigen Referenten für diesen Themenabend zu gewinnen. Bevor Mario Gembus mit seiner Präsentation starten konnte, hatte die neu in den Bundestag gewählte Düsseldorfer Genossin, Juristin und langjährige Gewerkschaftssekretärin, Zanda Martens, Gelegenheit, eine kurze thematische Einführung zu geben.

Die frischgebackene Bundestagsabgeordnete lenkte den Blick dabei auch auf den entsprechenden Passus des aktuellen Koalitionsvertrags. Die dort verwandte Formulierung einer „Prüfung“ des kirchlichen Arbeitsrechts „gemeinsam mit den Kirchen“ (Koalitionsvertrag, S. 71) bewertete sie sinngemäß als eine eher weiche und zu wenig konkrete Aussage.

„Kirchliches Arbeits(un)recht auf dem Prüfstand – Legale Diskriminierung am Arbeitsplatz?!“ weiterlesen

Zwischen Glaubensfreiheit und Dienstgemeinschaft: Das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland

Online-Veranstaltung am 24. August um 19 Uhr

Das kirchliche Arbeitsrecht schafft es in den letzten Jahren immer wieder in den Fokus der Medienberichterstattung. Vom Chefarzt, der wegen seiner Wiederheirat nach seiner Scheidung entlassen wurde, bis zum fehlenden Streikrecht unter dem „dritten Weg“ muten die Vorgaben, denen sich Beschäftigte bei kirchlichen Arbeitgebern ausgesetzt sehen, häufig bemerkenswert und nicht selten rechtspolitisch fragwürdig an.

Welche besonderen Rahmenbedingungen dabei der Staat den Kirchen setzt, wie sich diese vom „normalen“ Arbeitsrecht unterscheiden und wo etwaiger Reformbedarf besteht, wollen wir näher beleuchten. Gemeinsam mit dem Netzwerk der Säkularen Sozis lädt die ASJ Münster/Münsterland deshalb zum Vortrag von Ingrid Matthäus-Maier ein, Juristin und ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages.

Sie ist ausgewiesene Kennerin des kirchlichen Arbeitsrechts, meldet sich regelmäßig mit Beiträ-gen zur Trennung von Staat und Kirche zu Wort und ist Sprecherin der Kampagne „Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz“.
Im Anschluss an den Vortrag gibt es Gelegenheit zur Diskussion.

Die Veranstaltung findet am 24.08.2021 um 19 Uhr per Zoom statt. Anmeldung unter: ASJ Münster – die Zugangsdaten kommen dann per E-Mail.

Caritas-Aus für bundesweiten Pflegetarifvertrag: Kirchlicher Sonderweg im Arbeitsrecht – Raus!

Die Caritas hat mit ihrer Ablehnung eines bundesweiten Tarifvertrags für die Pflege bewiesen, dass die Sonderstellungen der Kirchen im Arbeitsrecht negative Folgen für Flächentarifvereinbarungen und letztendlich die Beschäftigten in den sozialen Einrichtungen haben. An den Verhandlungen beteiligte Gewerkschaften kritisieren die Haltung des christlichen Wohlfahrtsverbandes scharf.

„Das ist ein bitterer Tag für die Beschäftigten in der Pflege“, kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel das Votum der Caritas. Der christliche Wohlfahrtsverband lehnt eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung des von ver.di und der Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BVAP) ausgehandelten Tarifvertrags für die Altenpflege ab. „Damit ist heute die große Chance vertan worden, die Arbeit in der Pflege nachhaltig aufzuwerten.“

Quelle: DGB.de

Eine Einigung zwischen Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften hätte ab August 2021 für Mindestentgelte und eine bessere Absicherung der Beschäftigten gesorgt.

Diese tariflichen Verbesserungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in der Pflege, wollte die Caritas nicht mittragen und hat damit eine bundesweite Regelung verhindert, denn gesetzlich müssen die Arbeitsrechtskommissionen der Kirchen in den entsprechenden Branchen einer einheitlichen Regelung zustimmen. Der Sonderstatus der Kirchen ist an dieser Stelle weder mit Religionsfreiheit noch Tarifautonomie zu erklären, sondern fußt auf den Privilegien im Arbeitsrecht, die Gewerkschaften und Säkulare schon seit Längerem kritisieren.

Bei ihrem Online-Bundestreffen haben die Säkularen Sozis erneut beschlossen Seit‘ an Seit‘ mit den Gewerkschaften für eine Beendigung des kirchlichen Sonderwegs im Arbeitsrecht zu kämpfen. Im Folgenden der Antrag im Wortlaut:

Sonderstellung der Kirchen beim Arbeitsrecht beenden
  1. Die als „Dritter Weg“ bezeichnete kirchliche Neben-rechtsordnung im Arbeitsrecht ist abzuschaffen und den Beschäftigtender Kirchen sind die vollengewerkschaftlichen Rechte wie in weltlichen Betrieben zuzugestehen.
  2. Es sind unverzüglich Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften aufzunehmen.
  3. Das Streikrecht ist als Teil der Tarifautonomie auch den Beschäftigten in kirch-lichen Einrichtungen zu gewährleisten, denn nur so können Löhne und Arbeits-bedingungen gleichgewichtig und auf Augenhöhe ausgehandelt werden;
  4. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Gesetze zur Unternehmensmitbestimmung müssen auch inkirchlichen Einrichtungenvolle Anwendung finden und der „Tendenzschutz“ ist auf die Beschäftigten imengeren „Verkündungsauftrag“ der Kirchen zu begrenzen. Die Sonderstellung der Kirchen beim Arbeitsrecht kann man in folgende drei wesentliche Bereiche gliedern: Betriebsverfassungsgesetz, Recht auf Tarifverträge und Streik sowie engere Fassung des Tendenzschutzes.
„Caritas-Aus für bundesweiten Pflegetarifvertrag: Kirchlicher Sonderweg im Arbeitsrecht – Raus!“ weiterlesen