Säkulare (Advents)Botschaft des Zentralrats der Konfessionsfreien

Saekulare Sozis Bundestreffen Berlin 2021-10-30, Philipp Möller Fotografie Evelin Frerk

Brief vom 10. Dezember 2021

Als Vorsitzender und neuer Vorstandssprecher des Zentralrats der Konfessionsfreien können wir eine frohe Botschaft verkünden: Immer mehr Menschen entscheiden sich für ein Leben in Konfessionsfreiheit. Schon heute gehören 41% der Bevölkerung „Deutschlands beliebtester Konfession“ an – also keiner. In absehbarer Zukunft wird diese Gruppe die absolute Mehrheit stellen. Die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt also langsam aber sehr sicher ihre Wirkung: Je freier die Menschen in der Wahl ihrer Konfession sind, desto mehr wählen die Konfessionsfreiheit. Diese Abstimmung mit den Füßen ist zugleich ein klarer Aufruf an die Politik:

Wer auch in Zukunft von politischer Bedeutung sein will, muss die Interessen der Konfessionsfreien angemessen berücksichtigen. Säkulare Gruppierungen wie eure sind somit ein Teil der Zukunftsversicherung politischer Parteien – umso wichtiger, dass die Relevanz eurer Arbeit innerhalb der SPD erkannt und anerkannt wird.

Aber auch wir und unsere Mitgliedsorganisationen reagieren auf den anstehenden Wendepunkt der Weltanschauungen: Mit der Umwandlung des KORSO in den Zentralrat der Konfessionsfreien werden wir das Hinterzimmer verlassen, in dem wir bisher als Koordinierungsrat getagt haben. Im Frühjahr 2022 treten wir als Zentralrat der Konfessionsfreien auf die Bühne der Öffentlichkeit. Bis dahin bereiten wir uns mit viel Liebe
zum Detail auf die Auseinandersetzung mit bekanntlich sehr etablierten Mitbewerbern um die Gunst der Politik vor.

Als Zentralrat der Konfessionsfreien legen wir dabei großen Wert auf parteipolitische und finanzielle Unabhängigkeit. So können wir uns der Politik als konstruktive Ansprechpartner für die Interessen konfessionsfreier Menschen vorstellen. Wir können den säkularen Kräften aller Parteien auf neutralem Boden ein Forum bieten, in dem sie sich miteinander austauschen und ihre Kräfte vielleicht sogar bündeln können. Wir werden eine breite Öffentlichkeit darüber aufklären, wo und durch wen ihr Grundrecht auf ein konfessionsfreies Leben empfindlich verletzt wird. Und wir werden den starken Beitrag der Konfessionsfreiheit zu einer zeitgemäßen Politik formulieren – was nur mit einem zeitgemäßen Auftritt funktionieren kann.

Religionskritik wird nicht im Schaufenster unserer Arbeit stehen, denn dieses Level hat die Gesellschaft bereits erfolgreich absolviert: Die persönliche Spiritualität wird als eine private, geradezu intime Entscheidung empfunden, die zurecht durch die Religionsfreiheit gedeckt ist. Die massiven Probleme mit dem organisierten Glauben hingegen sind in den letzten Jahren mehr als offensichtlich.

Die politische Klasse jedoch hinkt dieser gesellschaftlichen Realität noch immer hinterher, das zeigt nun auch der Koalitionsvertrag. Denn während darin eine erfreulich progressive Politik skizziert wird, die die Selbstbestimmung der Menschen in den Vordergrund rückt, trägt „Mehr Fortschritt wagen“ auch die Handschrift des säkularen Rückschritts. Die Streichung des §219a StGB ist zwar ein klarer Sieg – wenn auch eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit. Beim Arbeitsrecht hingegen soll „gemeinsam mit den Kirchen“ geprüft werden, „inwiefern“ es dem staatlichen Arbeitsrecht „angeglichen werden kann“ – das ist gleich mehrere Dimensionen entfernt von einem klaren Bekenntnis zu den höchstrichterlichen Entscheidungen aus Straßburg und dem Schutzaller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Diskriminierung.

Und auch bei anderen Passagen schrillen unsere säkularen Alarmglocken, zumal sie auf Seite 111 im direkten Anschluss an einen regelrechten Werbeblock formuliert werden: Verbesserung der Beteiligung und Repräsentanz … Ergänzungen des Rechtsstatus … in enger Abstimmung
mit … Ausbildungsprogramme an deutschen Universitäten – all das zeigt:

Für die säkularen Kräfte dieses Landes bleibt auch mit der Ampelkoalition verdammt viel zu tun – packen wir’s gemeinsam an!

Konfessionsfreie Grüße, frohes Fest und einen guten Rutsch in ein hoffentlich besseres Jahr senden und wünschen euch Dr. Rainer Rosenzweig (Vorsitzender) und Philipp Möller (Vorstandssprecher).