Offener Brief an die Bischofskonferenz: Müssen alle Steuerzahler für Gottes Bodenpersonal büßen?

Wie viele Medien berichteten, hat die Opferinitiative „Eckiger Tisch“ bei der Bischofskonferenz in Fulda zwei Modelle zur Entschädigung von Opfern sexuellen Missbrauchs vorgestellt. Bis dato empfiehlt die Bischofskonferenz durchschnittlich 5000 Euro pro Missbrauchsopfer zu bezahlen. Geht es nach den Vorschlägen der Initiative könnten jedoch bald 300.000 Euro pro Person oder zwischen 40.000 Euro und 400.000 Euro, je nach schwere des Leids, für Betroffene zur Verfügung stehen. Die Katholische Kirche signalisiert Bereitschaft, die Entschädigungspraxis zu ändern.  Der „Eckige Tisch“plädiert dabei für eine pauschale Entschädigung, die eine mühsame Einzelfallprüfung erspart und zu einer Befriedung in der Sache beitragen könnte.

Diese oft erst durch das hartnäckige Engagement von Opferinitiativen wie Unterstützern erreichte Verhandlungen, werfen jedoch Fragen hinsichtlich der Finanzierung der Entschädigungen auf. Werden ein möglicher Entschädigungsfonds oder entsprechende Zahlungen mittels der vom Staat erhobenen und für die Kirchen eingezogenen Kirchensteuern, oder gar aus allgemeinen Steuern bezahlten Staatsleistungen beglichen? In einem offenen Brief fordern die Säkularen Sozis hier eine klare Botschaft von Seiten der Bischöfe. Schließlich sollten nicht alle Steuerzahler für die Sünden von Gottes Bodenpersonal büßen, oder?

Offener Brief

An den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx, Erzbischöfliches Ordinariat München

27.09.2019

Sehr geehrter Herr Kardinal,

wir haben interessiert die Diskussion um Opferentschädigung verfolgt und respektieren das Eingeständnis des institutionellen Versagens der Kirche, die sich auch durch individuelle Schweigevereinbarungen der Mittäterschaft schuldig gemacht hat.

Wir begrüßen daher die lange überfällige – aber noch immer nicht beschlossene – Einrichtung eines Entschädigungsfonds für die Opfer sexuellen Missbrauchs durch im Dienst der Kirche tätige Personen.

Nachdem wir nun auch die Höhe der zur Diskussion stehenden Entschädigungssummen, mit denen das Leid der Opfer gemildert werden soll, erfahren haben, stellt sich für uns die Frage, wie die Kirche die enormen Beträge aufbringen wird. So wird schon in der Empfehlung der Unabhängigen Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung des Verfahrens zur Anerkennung des Leides“ die Zulässigkeit der Verwendung von Kirchensteuermitteln in Frage gestellt, aber auch nur eine Teilfinanzierung aus Mitteln des Bischöflichen Stuhls angenommen.

Bedeutet das, dass die Kirche eine Grundschuld auf den Kölner Dom, die Münchner Frauenkirche oder andere kirchliche Immobilien aufnehmen wird, dass die Straftäter zur Mitfinanzierung herangezogen werden oder ist geplant, diese Beträge aus den allgemeinen Steuermitteln, die der Kirche im Rahmen von Staatsleistungen zufließen, zu befriedigen? Also sollen nun alle Steuerzahler in Deutschland, selbst die nicht katholischen, für die Sünden von Gottes Bodenpersonal büßen?

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. Lale Akgün – gez. Adrian Gillmann

für den Sprecherkreis der Säkularen Sozialdemokrat*innen