Programmbeschwerde an die Intendantin des MDR vom 12.06.201

Beschwerde wegen Verletzung des Rundfunkstaatsvertrages

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hat im Rahmen der ARD-Themenwoche „Woran glaubst Du?“ auf seiner  Webseite (http://www.mdr.de/nachrichten/vermischtes/glaube-hat-einfluss-auf-soziales-verhalten-100.html) verschiedene Behauptungen aufgestellt, durch die konfessionsfreie Menschen in Deutschland diffamiert werden. Auf der Grundlage einer offensichtlich vom MDR finanzierten, als „datenjournalistisches Projekt“ bezeichneten Auswertung von Sozialdaten wird behauptet, es gäbe einen „starken Einfluss“ zwischen religiöser Bindung und sozialem Verhalten.

Konfessionsfreie Menschen und Atheisten – im Beitrag als „gottlos“ bezeichnet – engagierten sich nicht nur seltener ehrenamtlich. Es gäbe darüber hinaus auch einen regionalen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Kirchenmitglieder und der Anzahl der Suizide, der Teenagerschwangerschaften sowie der Anzahl der SGB-II-Empfänger. Als Beleg hierfür wird das thüringische Weimar mit dem bayrischen Tirschenreuth verglichen. Wörtlich: „So ist etwa in Weimar der Anteil Konfessionsloser unter allen deutschen Städten und Gemeinden mit 94,1 Prozent am größten. In der thüringischen Stadt leben mit rund 13 Prozent auch überdurchschnittlich viele Hartz-IV-Empfänger. In Tirschenreuth in Bayern gehören hingegen lediglich 8,1 Prozent der Einwohner keiner Religion an, die SGB-II-Quote beträgt dort nur 3,9
Prozent.“

Die hier vom MDR verbreiteten Thesen sind diffamierend und falsch. Konfessionsfreie Menschen werden insgesamt als die vermeintlich unsozialeren Mitmenschen abgewertet, Kirchenmitglieder
demgegenüber als angeblich sozialere Mitmenschen hervorgehoben. Die freie Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger keiner Religion anzugehören, wird damit als gesellschaftlich schlecht und sozial abträglich bewertet. Dies missachtet auch die vom Grundgesetz garantierte Weltanschauungs- und Religionsfreiheit und diskriminiert Jeden, der sich in Ausübung seines Grundrechts gegen eine Kirchenmitgliedschaft entschieden hat. Die vom MDR aus
Rundfunkbeiträgen finanzierte Datenauswertung, die auf der Website als „Metastudie“ bezeichnet wird, erscheint darüber hinaus schon auf den ersten Blick als zweckgelenkt und unwissenschaftlich. Dass es beispielsweise bei den regionalen Häufigkeiten des SGB-II-Bezuges in den östlichen Ländern einen ursächlichen Zusammenhang zur ökonomischen Transformationsgeschichte nach 1990 geben könnte, ist der Darstellung nicht zu entnehmen.

Hier sollte ganz offenbar die „Gottlosigkeit“ der Menschen als Ursachen allen Übels belegt werden. Eine solche journalistische Einseitigkeit ist selbst für eine Kirchenredaktion erstaunlich. Die oben beschriebenen Sachverhalte sind in meinen Augen ein Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag. Die beschriebe Darstellung verletzt die Würde konfessionsfreier Menschen, zu deren Achtung und Schutz die ARD verpflichtet ist (Verletzung von § 3 Abs. 1 RStV). Außerdem wird die weltanschauliche Überzeugung der Betroffenen geschmäht und damit missachtet (Verletzung von § 3 Abs. 1 und § 41 Abs. 1 RStV), ein diskriminierungsfreies Miteinander gefährdet (Verletzung von § 41 Abs. 1 RStV) sowie gegen die Grundsätze der Objektivität, der Unparteilichkeit und der Ausgewogenheit in der Berichterstattung verstoßen (Verletzung von § 11 Abs. 2 RStV).

Vor diesem Hintergrund fordere ich Sie auf, die oben beschriebene Berichterstattung umgehend einzustellen und die Verstöße gegen den Rundfunkstaatsvertrag entsprechend zu ahnden.

Rolf Schwanitz