Säkulare Wahlprüfsteine: Petra Köpping und Boris Pistorius

(c) Werner_Schüring

1. Staatliche Neutralität hinsichtlich Religionen wie Weltanschauungen und der säkulare Rechtsstaat garantieren das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Gesinnung. Die säkulare Tradition der SPD kann hier anknüpfen. Wie wichtig ist politische Säkularität, die Religionen weder diskriminiert noch privilegiert?

Die Weimarer Verfassung war an dieser Stelle sehr klar und die Mütter und Väter des
Grundgesetzes haben gut daran getan, die dort getroffenen Regelungen zu übernehmen und zu
ergänzen. Wie in der Frage bereits suggeriert, ist die staatliche Neutralität gegenüber aller
Religionen ein zentraler Pfeiler unseres Zusammenlebens. Einen höheren Rang, als den
Verfassungsrang kann man diesem Prinzip nicht einräumen und dem schliessen wir uns an.

2. Respekt und Toleranz sind Grundwerte unserer Demokratie, die insbesondere von der Sozialdemokratie erstritten wurden und verteidigt werden. Verdienen Angehörige aller Religionen, soweit sie sich an das Grundgesetz und die allgemeinen Gesetze halten, den gleichen Respekt und gilt dieser Respekt in gleicher Weise auch gegenüber den Menschen, die sich zu keiner Religion bekennen?

Auch hier ist das Grundgesetz sehr klar: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner
Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner
religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand
darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ (Art. 3 Abs 3) Das impliziert eben auch, dass
jedem und jeder der gleiche Respekt entgegengebracht wird. Im übrigen gilt der Artikel 1.

3. Seit über 100 Jahren erhalten die kirchlichen Organisationen aus allgemeinen Steuermitteln hohe staatliche Leistungen für ihre hauptamtlichen Mitarbeiter (Kardinäle, Bischöfe, …). GG Artikel 140 (entspr. Art. 138 WRV). Werdet Ihr Euch dafür einsetzen, diese Leistungen abzu-schaffen oder zu reduzieren?

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4. Kirchliche Einrichtungen erhalten für den Unterhalt von Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern … bis zu 100 Prozent staatliche Unterstützung. Werdet Ihr Euch dafür einsetzen, dass sie künftig mit anderen sozialen Einrichtungen, wie z.B. Arbeiterwohlfahrt, Rotes Kreuz gleichgestellt werden?

Kirchen und kirchliche Organisationen erfüllen wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgaben,
unabhängig von der Ausrichtung des Glaubens. Das Neutralitätsgebot spricht nicht grundsätzlich
gegen eine staatliche Unterstützungsleistung bei der Erfüllung dieser Aufgaben, aber diese Leistungen
müssen a.) verhältnismäßig sein und b.) dem Paritätsprinzip folgen. Das heißt, sie müssen allen Organisationen, die diese Aufgaben erfüllen in gleicher Höhe zukommen.

5. Die Kirchen beanspruchen für sich ein eigenes Arbeitsrecht und halten sich beispielsweise bei Einstellungen und Entlassungen nicht an die allgemeinen Gesetze. Werdet Ihr Euch für die Durchsetzung der staatlichen Gesetze auch in religiösen Einrichtungen einsetzen?

Selbstverständlich unterliegen kirchliche Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen der
Gesetzgebung. Auch innerhalb des Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts müssen sie sich an
die grundlegenden Regelungen halten und s ofern das nicht der Fall ist, werden diese Fragen
gerichtlich zu klären sein.

6. Werdet Ihr Euch dafür einsetzen, dass auch Missbrauchsfälle in den Kirchen primär der staatlichen Ermittlung und Rechtsprechung unterliegen müssen?

Die Missbrauchsfälle dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden und es darf kein
Ruhen geben, bis nicht alles Aufgeklärt und geahndet ist. Eine Aufhebung der Verjährungsfristen,
wie 2011 vom SPD Parteitag beschlossen und die enge Zusammenarbeit mit Betroffenenverbänden
ist daher ein wichtiger Schritt gewesen. Die Aufklärung solch widerwärtiger Taten darf nicht an den
Strukturen von Kirchen oder kirchlichen Institutionen oder dem Verhalten ihrer
Vertreter scheitern. Die staatlichen Strafverfolgungsbehörden müssen ihren Anspruch auf vollständige
Ahndung ungehindert durchsetzen.

7. Werdet Ihr Euch für die Einführung eines gemeinsamen integrativen, kundig machenden Unterrichts über Religionen/Weltanschauungen, Ethik und kulturelle Normen an allen Schulen einsetzen?

Die Teilnahme am Religionsunterricht muss freiwillig sein und auch nichtkonfessionellen
Schülerinnen und Schülern muss ein adäquates Angebot unterbreitet werden. Modelle wie in Berlin
oder Brandenburg sind hier wegweisend.

8. Werdet Ihr Euch beim Bundesparteitag für die Einrichtung eines offiziellen Arbeitskreises Säkulare in der SPD als Ergänzung zu den bestehenden AKs der Christen, Juden und Muslime einsetzen, um die aufgeworfenen Fragen in einem offenen Dialog zu diskutieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten?

Wir müssen uns grundsätzlich darüber Gedanken machen, wie wir alle Facetten der SPD in
einen offenen und konstruktiven Dialog bringen und gemeinsam zu einer soliden politischen
Grundlage kommen, hinter der sich alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten versammeln und mit der wir wieder zusammen nach vorne streiten. Ob die Ausweitung von AGs und AKs dafür einen Lösungsansatz bietet, bleibt zu bewerten.