Wie regeln wir eine Suizidhilfe in Deutschland?

Unter dieser Fragestellung trafen sich auf Einladung des Anfang April vom Parteivorstand der SPD eingesetzten Arbeitskreises „Säkularität und Humanismus“ virtuell zirka 60 Teilnehmer*innen, Bundestagsabgeordnete und weitere Interessierte, um zu den beiden entsprechenden Gesetzentwürfen, die nicht das Strafrecht bemühen, zu diskutieren. Zwischen dem einleitenden Grußwort unseres Generalsekretärs Kevin Kühnert und dem Schlusswort von Katharina Barley (zugeschaltet aus Brüssel) und unter der Leitung von Lale Akgün als Moderatorin kamen die Antragsteller*innen Dr. Nina Scheer (Stormarn) und Helge Lindh (Wuppertal) für die zwei Gesetzentwürfe zu Wort, die sich von dem dritten (Castellucci, Griese u.a.) fundamental unterscheiden, welcher nämlich an der Strafrechtsdrohung aus dem vom Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr verworfenen Beschluss zum § 217 StGB anknüpft.

Die Einleitung zum Thema hatte Swen Schulz (ehem. MdB, Berlin), der sehr persönlich einen begleiteten Freitod aus seiner Familie schilderte und dies zum Anlass seiner Bitte nahm, auf die Drohung mit dem Strafrecht tunlichst zu verzichten.

Nina Scheer als Mitantragstellerin des Entwurfs Kühnast/Keul „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben“ stellte die rechtssichere Ausgestaltung dieses Grundrechts in den Mittelpunkt, das i.d.R. ohne Hilfestellung anderer nicht würdevoll in Anspruch genommen werden kann. Das allerdings führt zu komplizierten Pflichtberatungsverfahren.

Helge Lindh stellte den Antragsentwurf von Lindh, Helling-Plahr, Dr. Sitte, Fricke „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Suizidhilfe“ anschließend nicht nur als eine Fortsetzung der Bemühungen von Karl Lauterbach, Swen Schulz u.a. aus der letzten Leg. vor, sondern auch als den Versuch, die schwierigen und hohen Klippen des anderen Entwurfs zu umgehen ohne die ganz besondere Ausnahmesituation, die zu einem solchen Todeswunsch führt, etwa zu normalisieren.

In der anschließenden ausführlichen Diskussion meldeten sich neben Juristen oder Bundestagsfachleute auch Teilnehmer*innen aus Sozialberufen und aus Wohlfahrtsorganisationen zu Wort. Allen war die Erleichterung darüber anzumerken, dass das BVerfG das seinerzeit mit deutlicher Mehrheit des Bundestages und unter starkem Druck einiger Fraktionsspitzen (auch der SPD) beschlossene Strafgesetz für „nichtig“ erklärt hatte. Es sei gegen das Selbsttötungsrecht gerichtet, welches i.d.R. ohne Hilfestellung nicht human und in Würde vollziehbar sei. Beiden Antragstellergruppen ist bewusst, so scheint es, dass noch ein längerer Prozess vor ihnen liegt mit dem Ziel, wenn irgend möglich aus beiden Anträgen einen zu machen. Dieser Wunsch wurde auch in der Diskussionsrunde deutlich unterstützt.

Kevin Kühnert hatte zu Beginn der Konferenz seine Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass diese Veranstaltung das erste parteiöffentliche In-Erscheinung-Treten des neuen Arbeitskreises sei, der im Laufe des Jahres noch allerlei Konstituierungsformalia durchlaufen müsse. Katharina Barley erklärte im Schlusswort, als zuständiges Präsidiumsmitglied auch von ferne aus Brüssel-/Straßburg aktiv für dessen Stärkung eintreten zu wollen und dass sie sich freue, dass nach langen Jahren Schwebezustand dieser Arbeitskreis auf Augenhöhe mit anderen endlich eingerichtet worden sei.

Gerhard Lein