2. Bundestreffen in Roßdorf am 13.11.2011

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SPD-Laizisten verabschiedeten auf dem 2. Bundestreffen das „Roßdorfer Signal“

Roßdorf bei Darmstadt, 13.11.2011

Auf ihrem zweiten Bundestreffen konnten die SPD-Mitglieder, die sich für eine Trennung von Staat und Religion einsetzen, eine erfolgreiche Bilanz ziehen: Innerhalb eines Jahres ist die Gruppe von 500 auf über 1.000 Unterstützerinnen und Unterstützer angewachsen und sie ist nunmehr in sieben Bundesländern in Landesgruppen organisiert.

Die Ablehnung des Parteivorstandes, den Laizisten in der SPD einen eigenen Arbeitskreis zuzugestehen, wird allenfalls als Beleg dafür gesehen, wie kirchennah und distanzlos die Parteiführungsebene bereits geworden ist. Dies ändert jedoch nichts am weiteren Aufbau der Gruppe, auch ohne Unterstützung des Parteivorstandes.

Die Laizisten sehen sich gut gerüstet, ihre künftigen Aktivitäten innerhalb und außerhalb der SPD zu verstärken. Das kirchliche Arbeitsrecht und die Privilegien der Kirchen, insbesondere die staatliche Subventionierung der Kirchen, werden dabei im Mittelpunkt der weiteren Arbeit stehen. 

Von sehr vielen SPD-Mitgliedern wird es als unerträglich empfunden, wie sehr die SPD-Spitze die Arbeitnehmer/innen bei Kirchen und kirchlichen Trägern im Stich lässt. Unsere Kritik an dem Auftreten des Papstes im Deutschen Bundestag hat in der Öffentlichkeit große Resonanz gefunden. MdB Rolf Schwanitz wurde ausdrücklich gedankt und der Rücken dafür gestärkt, dass er trotz großem Druck aus Parteispitze und einigen Medien nicht von seiner mutigen Linie des erklärten Fernbleibens der Papstrede abgewichen ist.

Als Erfolg der Gruppierung wurde gewertet, dass der anstehende SPD-Parteitag seit langem zum ersten Mal wieder darauf verzichtet. einen Gottesdienst quasi zum Programmbestandteil zu machen. Er findet selbstverständlich für alle, die daran teilnehmen möchten, am Vorabend statt, ist aber nicht mehr mit der Tagesordnung aufgeführt, als wäre er normaler Bestandteil des Parteitages. Dies war die 11. Forderung des Berliner Bundestreffens 2010.

Einstimmig wurde das „Roßdorfer Signal“ verabschiedet, das die aktuellen Forderungen der Gruppe zusammenfasst und unten angefügt ist.

Durch die Nachwahl von zwei Bundessprecherinnen wurde das Team auf nunmehr acht Mitglieder des Bundessprecherkreises personell verstärkt. Claudia Blume aus Berlin und Ellen Kühl-Murges aus NRW wurden einstimmig gewählt, während Ulrike Breth (Rheinland-Pfalz) aus dem Kreis ausschied.

V.i.S.d.P.: Nils Opitz-Leifheit
Hauflerweg 10; 71336 Waiblingen;

 

Roßdorfer Signal: Religion ist Privatsache!

1. Die Trennung von Staat und Religion ist zusammen mit der Religionsfreiheit eine unverzichtbare Voraussetzung für einen modernen liberalen und demokratischen Rechtsstaat. Religion ist Privatsache; sie muss sich auf den nichtstaatlichen Bereich beschränken.

2. Das derzeitige System der staatlichen Förderung der Religionsgemeinschaften widerspricht dem Verfassungsgrundsatz der staatlichen Neutralität. Die finanzielle Privilegierung sowie die Bevorzugung in anderen gesellschaftlichen Bereichen (u.a. Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften, Einzug der Kirchensteuer durch den Staat, Religionsunterricht an staatlichen Schulen, konfessionsgebundene Theologie an staatlichen Hochschulen, Sonderrechte in den öffentlich-rechtlichen Medien, Subsidiaritätsprinzip im sozialen Bereich zugunsten der Kirchen) sind überholt.

3. Einen besonderen Skandal stellt das kirchliche Arbeitsrecht („Dritter Weg“) dar. Die Verweigerung von Tarifverträgen und eines Streikrechts für Kirchenbeschäftigte sowie das Verbot von Betriebsräten und die Anerkennung kirchenspezifischer Kündigungsgründe wie etwa die Heirat eines geschiedenen Arbeitnehmers sind verfassungswidrig. Ein demokratischer Rechtsstaat darf einen „Staat im Staate“ nicht hinnehmen. Arbeitsrechtliche Gesetze müssen auch für die Kirchen gelten.

4. Mit Sorge registrieren wir eine zunehmende Verquickung von Politik und Religion. Nicht zuletzt der Auftritt des Papstes im deutschen Bundestag ist Beleg für eine Klerikalisierung des politischen Diskurses bei gleichzeitiger Ausgrenzung erheblicher Teile der Bevölkerung wie Konfessionsfreie, Atheisten, Humanisten und Andersgläubige. Wir sind zuallererst Bürgerinnen und Bürger dieses Landes; ob einer Christ, Jude, Muslim, Atheist oder sonst Konfessionsfreier ist, darf in einer säkularen Demokratie keine Rolle spielen.

5. Wir treten für einen laizistisch geprägten Staat ein, den keine gesellschaftliche Gruppe für sich vereinnahmen kann. Wir treten ein für einen Staat, der keine religiösen Zwecke verfolgt und der darauf verzichtet, eine einheitliche politische Gesinnung, einheitlichen Glauben und einheitliche Weltanschauung als seine Grundlage verbindlich zu machen. Die derzeitige Sonderrolle der Religionen in Wertefragen, zum Beispiel in „Ethik-Kommissionen“, ist weder durch ihre Schriften noch durch ihre Praxis zu rechtfertigen. Wir bekennen uns zu einer autonomen, von den Menschen und zwischen den Menschen selbst bestimmten Ethik, die im Gegensatz zu einer Ethik steht, die von einer äußeren Instanz bestimmt wird, sei diese religiös, ideologisch oder politisch motiviert. Wir fordern die Politik und insbesondere die SPD dazu auf, ein modernes Religions- und Weltanschauungsrecht zu entwickeln und auf diese Weise die 1919 stecken gebliebene Trennung von Staat und Religion zu vollenden.

Einstimmig beschlossen auf dem 2. Bundestreffen der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für die Trennung von Staat und Religion in Roßdorf am 13. November 2011

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