Ergänzende Stellungnahme zur Aufnahme eines Gottesbezugs in die Landesverfassung Schleswig-Holsteins

Ergänzende Stellungnahme zur Änderung der Präambel der Landesverfassung Schleswig-Holsteins

Unser Bundesprecherinnenkreis hat auf Anfrage des Innen- und Rechtsausschusses des Landtages von Schleswig-Holstein seine Stellungnahme zu einem Gottesbezug ergänzt. Anlass war vor allem der Antrag von Dr. Ralf Stegner und Martin Habersaat: 

Änderungsantrag der Abgeordneten Martin Habersaat (SPD) und Dr. Ralf Stegner (SPD), Umdruck 18/6283

Sehr geehrte Damen und Herren,

ergänzend zu unserer bisherigen Stellungnahme, möchten wir zu dem neuesten Änderungsentwurf der Abgeordneten Martin Habersaat und Dr. Ralf Stegner ebenfalls Position beziehen. Wir sehen ihn als einen versuchten Kompromiss an, der jedoch die problematischen Formulierungen der beiden anderen Entwürfe wiederholt und zu keinem wirklich neuen Ergebnis führt. Deshalb lehnen wir ihn ab.

 Gerade die wertende Unterscheidung zwischen einem vielfältigen „Erbe“ im Gegensatz zu „Werten“, denen ein monotheistischer Gottesglaube vorangestellt wird, betont erneut die Bekenntnisformel, statt auf eine legitime Demutsformel zu verweisen.

Der Beschluss schöpft aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen universellen Quellen ergeben.[1]

Der Satz verweist darauf, dass die Verabschiedung der Landesverfassung sich in gleicher Art und Weise auf ein vielfältiges „Erbe“ sowie „Werte“ berufen kann. Es wird suggeriert, als könne zwischen einer Art materiellen Fundus und einem ideellen Bezug unterschieden werden, obwohl diese in der Bedeutung für die Beschlussfassung als gleichrangig einzustufen seien. Was lässt jedoch vermuten, dass die „Werte“ nicht auch zu dem vielfältigen „Erbe Europas“ gehören und auch ein „Glaube an Gott“ sowie „universelle Quellen“ dazuzählen? Nur eine letztlich doch wertende Unterscheidung rechtfertigt, dass diese „Quellen“ als Grundlage der Werteerkenntnis noch einmal genannt und der monotheistische Gottesbezug sogar als beispielhaft hervorgehoben wird. Letztlich müsste sich das „Erbe“ auf ein kollektives Moment beziehen, während die „Werte“ den individuellen Bezug betonen. Weshalb sonst unterscheiden? Wenn unterscheiden, wieso sollen bestimmte Quellen der individuellen Werterkenntnis einleitenden Verfassungsrang erhalten?

Schon der Landesrabbiner Dr. Walter Rothschild hat auf die Gefahren hingewiesen, die allzu gut gemeinte Formulierungen mit sich bringen.

Der vorgeschlagene alternative Wortlaut “In Achtung der Verantwortung, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus andere universellen Quellen gemeinsamer Werte ergibt…“ ist entweder so vage, dass es bedeutungslos ist, oder so steif, dass es gefährlich werden kann. Welcher ‚Glauben‘ ist hier gemeint und welche Art von Gottesglauben?[2]

Eine individuelle Werteerkenntnis per Verfassungsrang ist problematisch, denn die „anderen universellen Quellen“ werden nur summa summarum genannt, jedoch der „Glauben an Gott“ als exemplarisch angesehen. Indirekt werden die übrigen Wertequellen abgewertet und das Anliegen des ersten Satzteiles, auf die Vielfalt möglicher Quellen von Werten demütig hinzuweisen, die eine solche Landesverfassung begleiten, ad absurdum geführt.

Es erscheint der Eindruck, dass die „universellen Quellen“ als Erkenntnisgründe wie Bedingungen im Besonderen wirken, denn sie sind schließlich scheinbar mehr als das „Erbe“, und der monotheistische Gottesbezug wiederum eine Quelle der Quellen. Die Werteerkenntnis, als einem aktiven wie individuellen Vorgang, wird damit von seinem „Erbe“ abgelöst und den Quellen unterworfen, während der einzige ausformulierte Wertebezug, die klar betonte Bekenntnisformel darstellt. Eine solche inhaltliche wie wertende Vermischung von „Erbe“, „Wert“ und „Quelle“ erscheint uns keine Lösung, sondern die Wiederholung aller in unserer Stellungnahme erwähnten Probleme. Gerade der Weg, der zum Ziel der einzuhaltenden Werte führt, sollte frei wählbar und in diesem Sinne „wertfrei“ bleiben.

Schließlich ist eine Verfassung für alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen wertvoll.

Wir plädieren deshalb dafür die bestehende Präambel der Landesverfassung Schleswig-Holsteins zu behalten und alle Änderungsanträge abzulehnen.

Mit besten Grüßen

Bundesprecherinnenkreis

i.A.

Claudia Blume

Adrian Gillmann



[1] Änderungsantrag der Abgeordneten Martin Habersaat (SPD) und Dr. Ralf Stegner (SPD).

[2] Stellungnahme des Landesrabbiners Dr. Walter Rothschild vom 31. Mai 2016.