Der Religionslobbyist vor dem Bundestag – frei nach Erasmus von Rotterdam

Einleitung: Der papst- und kirchenkritische Theologe wie Humanist, Erasmus von Rotterdam (1466/69-1536), verfasste neben dem „Lob der Torheit“(1511) und anderen Werken, auch eine Satire auf den Papst Julius II: Papst Julius vor der Himmelstür. Dieser galt als besonders weltlicher und kriegerischer Papst, welcher den Bau des Petersdoms initiierte und zahlreiche Kriege gegen Frankreich, Venedig und andere Stadtstaaten führte. Erasmus Desiderius aka Erasmus von Rotterdam nahm antike satirische Dialoge zum Vorbild und ließ den politisch umtriebigen und von eigenen Interessen geleiteten Papst vor der Himmelstür ausharren, denn Petrus öffnete diesem gierigen Machtpolitiker nicht die Pforten. Vorstellungen einer reinen, idealisierten christlichen Religion wie des Papsttums, treffen auf eine Kirche, die politische Organisation wie Herrschaft ins Zentrum ihres Handelns rückt. In der neuen Ausgabe von Werner von Koppenfels (2011) wird nicht nur die Urheberschaft gemäß der internationalen Forschung betont, sondern ebenso die scharfsinnige Religions- und Herrschaftskritik hervorgehoben.

In der folgenden Satire dient Papst Julius als Vorlage für einen eher modernen Typus von naivem Religionslobbyisten, welcher vergeblich Einlass in den Bundestag oder eben ein Parlament einfordert, weil er vorgibt, die Interessen von Religion zu vertreten. Dabei geht es dieser Art von Religionspolitik weniger um Religionsfreiheit, Gleichberechtigung und einen neutralen Staat, sondern politischen Lobbyismus und eigene Vorteile. Säkulare Religions- und Weltanschauungspolitik sieht anders aus, und wird durch eine engagierte Pförtnerin zur Sprache gebracht sowie durch einen kommentierenden Zeitgeist unterstützt.

 

Religionslobbyist: Warum schwingen denn die Türen hier nicht auf? Ist die Elektronik kaputt?

Zeitgeist: Schau doch lieber mal nach, ob du den richtigen Lobbyausweis dabeihast. Allein mit Geld oder guten Worten kommst du hier nicht weiter. Wie wäre es mit guten Argumenten, statt Scheinheiligkeit?

Religionslobbyist: Mir wird es zu bunt! Es rührt sich nichts! Macht die Pförtnerin gerade Pause? Ist wohl in der Gewerkschaft, wie? Jedenfalls kann ich mir für die Wartezeit vor dem hohen Haus nichts kaufen und die, die ich meine zu vertreten, auch nicht.

Zeitgeist: Wie er immer alle Welt in seinen Interessen misst!

Pförtnerin: Ein Glück, dass wir neue Sicherheitstüren haben und jeder sich nun ausweisen muss, egal ob kleiner Lobbyist, oder großer Verbandsvertreter. Dieser hier tritt uns fast die Schwingtüren ein. Von der Presse kann er nicht sein. Nein, wie er schimpft und zetert. Da will ich mich erst einmal vergewissern. Wer sind sie? Was möchten sie?

Religionslobbyist: Gott zum Gruße! Öffnen sie sofort die Türen. Sie wissen nicht, wer ich bin? Erst letzten Monat war ich bei Maischberger in der Runde und sprach über die öffentliche Moral. Zuvor bei Anne Will und Markus Lanz, da ging es über Glaube in der Politik. Gestern war in der FAZ ein Interview mit Foto, in dem ich erläuterte, dass der Mensch nicht nur vom Brot alleine lebt.

Zeitgeist: Das passt, denn er hatte gestern in einer bayerischen Klosterbrauerei noch mehr als eine Maß Bier, guten Käse und auch die Wittenberger Weinkeller wusste er die Tage zuvor zu schätzen.

Religionslobbyist: Du schweig still, neidischer Kerl! Und sie, schauen sie richtig in ihren Unterlagen und lassen mich herein. Hier meine Visitenkarten. Ich spreche für die Kirchen, die Zentralräte, die Weltanschauungsbeauftragten und alle, die meine Dienste zu schätzen wissen.

Pförtnerin: Stehen sie in unserem Lobbyregister? Wo finde ich sie? Welche Kirche, Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft vertreten sie?

Religionslobbyist: Lobbyregister? Wurde das nicht verhindert? Wie sieht denn das aus, wenn jeder weiß, wofür ich stehe, oder wen ich vertrete?

Zeitgeist: Das weiß er oft selbst nicht. Es sei denn die Wählerstimmen, Karriereaussichten oder die Möglichkeiten Bücher unter das Volk zu bringen, zahlen sich aus.

Religionslobbyist: Sei endlich still, du Ungeist! Und Pförtnerin, wenn du mir nicht augenblicklich Einlass gewährst, sorge ich dafür, dass du die längste Zeit hier angestellt gewesen bist. Ich bin in und mit vielen Parteien gut, kann schnell ein paar Anrufe tätigen und einen Wirbel machen in Berlin!

Pförtnerin: Es tut mir leid, aber sie stehen nicht auf meiner Liste. Überhaupt kommen durch diese Tür nur die gewählten Abgeordneten herein. Diejenigen, die auch die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertreten.

Religionslobbyist: Das tue ich! Hinter mir stehen an die 60% Kirchenmitglieder, plus vier bis fünf Prozent Muslime, dazu Jüdische, kleinere Minderheiten und mehr. Auf Wunsch kann ich Millionen angeben, indem ich die Säkularen einmal weglasse und alles über einen Kamm schere.

Pförtnerin: Ich sehe niemanden hinter ihnen. Die Mehrheiten, die sie nennen, sind erst einmal reine Statistik, keine Wahlergebnisse und sicherlich würde so mancher Politiker von solch einem Durcheinander an vermeintlich göttlichem Zuspruch nur träumen. Da kann ich sie erst recht nicht hereinlassen, weil ich kaum weiß, warum sie überhaupt Einlass wünschen.

Religionslobbyist: Es geht mir um die Rechte der Religionen, also derer, die mit öffentlichen Mitteln und gesellschaftlicher Organisation im Staat eine privilegierte Rolle spielen. Schließlich darf man den lieben Gott nicht nur einen guten Mann sein lassen. Erst wohlgenährt wird die passende Moral gelehrt, die dann wiederum die Politik heiligt, als Mittel zum Zweck, damit Einfluss und Einspruch möglich bleiben, insofern die Gottlosen ergo die Unmoralischen das Ruder des Staates herumreißen wollen.

Pförtnerin: Ihr sprecht mir wie ein Kapitän ohne Kurs, oder Jemand, der selbst keine religiöse Praxis hat, außer die, der herrschenden Praxis zu dienen, aus ihr Kapital wie Ansehen zu ziehen und formale Zugehörigkeit zu Kirchen mit lebendiger Religion zu verwechseln. Seid ihr nicht doch von einem Unternehmerverband? Oder haltet ihr es mit der Religionsfreiheit, wie mit einem Wettbüro? Wenn nur der Stimmgewinn hoch genug ist, lohnt sich der Einsatz?

Religionslobbyist: Wenn man die Lebensformen anschaut, dann sind unsere heutigen Bürgerinnen und Bürger nicht mehr allzu abergläubisch: Sie sind einer dogmatischen wie politischen Religion gegenüber gleichgültig bis skeptisch und denken gar nicht daran, diese ernst zu nehmen. Nur ein paar von den Schwächeren haben noch einigermaßen Angst vor einer möglichen gottlosen Politik, doch auch ihnen geht es weniger um die Sache, als die Schädigung ihres Rufes. Dann gibt es noch die, die auf die politische Religion und ihre Macht Hoffnungen setzen oder sie fürchten und sich deshalb unter eine traditionelle Autorität begeben möchten. Vermeintliche Religionspolitiker wiederum sind zu der Überzeugung gelangt, dass denen gewaltiger Ärger ins Haus steht, die sich mit irgendwelchen Vertretern der Kirchen oder religiösen Lobbyverbänden anlegen. Viele Politische, soweit sie einigermaßen etabliert sind, wissen durchaus das Zeremoniell zu schätzen, wozu wir sie ja auch abgerichtet haben. Denn Zeremonien werden, genau wie Komödien, dem Volk zum Gefallen aufgeführt. Übrigens wird die Sache gelegentlich auch mit allem Ernst betrieben, bei Kirchentagen und in Lutherjahren. Dann dekorieren wir die Herrschaften mit großartigen Titeln, auch wenn es die allerletzten Halunken sind, nennen den einen „erzkatholisch“, den nächsten „urprotestantisch“ und den dritten „überaus moralisch“. Sie wiederum preisen in Interviews und Artikeln die Religion als „Kitt der Gesellschaft“ oder „Anker der Moralität“. Wenn nicht all zu viel auf dem Spiel steht, fügen sie sich auch unserer Autorität. Dafür gibt es Einladungen zu religiösen Veranstaltungen, Gastbeiträge in Publikationen, weihevolle Worte und so kratzt denn, wie es im Sprichwort heißt, ein Maultier das andere zu beider Nutz und Frommen.

Pförtnerin: Das nenne ich einen wahren Lobbyisten! Was ich bisher von ihnen höre, sind für mich nicht die Worte eines freiheitlich-demokratischen Volksvertreters oder religiösen Menschen, sondern eines Machtpolitikers. Sollten Religion und Weltanschauung nicht Privatsache sein?

Zeitgeist: Sehr richtig!

Religionslobbyist: Sie träumen wohl noch von der freien wie selbstbestimmten Religiosität, dem neutralen Staat und der uralten Kirche der halbverhungerten Bischöfe mit Armut wie universaler Nächstenliebe? Von den Zeiten, als Religion für die Politik kein großes Thema war? Mit der Zeit hat sich alles zum Besseren gewendet. Die Religionspolitik ist heutzutage eine ganz andere, als damals. Könnten sie nur die vielen, mit staatlichen Geldern finanzierten Kirchenbauten, Kindergärten, Krankenhäuser und andere Unternehmen sehen, die religiösen Beamten und Funktionäre, zumeist mit überreichen Einkünften gesegnet. So viele Bischöfe, die an öffentlicher Aufmerksamkeit, Reichtum und Einfluss Prominenten gleichkommen, die schulmeisterlich den politischen Parteien in die Programme hineinregieren, um ihre Bedeutung an Schulen und Universitäten zu wahren, damit niemand kritische Fragen stellt, was junge Menschen wirklich über Religion wie Kultur lernen sollen. Wie schön es ist, dass die staatlichen Behörden für uns die Steuern eintreiben und darüber hinaus auch wir von diesen weitestgehend befreit sind. Alles nach dem Prinzip des „Divide et Impera/Teile und herrsche“, wenn jetzt auch muslimische Verbände Privilegien einfordern und wir mit Freuden für jeden Gleichgesinnten uns verbürgen, nur, damit niemand die Vorteile in Zweifel zieht.

Pförtnerin: Ist das denn noch im Sinne des Grundgesetzes? Es darf doch niemand wegen seiner Religion oder Weltanschauung benachteiligt oder bevorzugt werden? Verlangt lebendige Religion nicht mehr, als eine solche „Religion der Macht“ verspricht? Die Lehren der meisten Religionen halten es doch weniger mit einer bequemen oder strategischen Philosophie. Die eigene Überzeugung zu leben, wäre das nicht genug? Statt sich um Pfründe zu bemühen, oder eine staatliche Anerkennung zu pflegen, die das eigene Tun mit Brief und Siegel zu einem Status öffentlichen Rechts erhebt? Alle, die nicht von dem Geist ihrer Überzeugungen beseelt sind, weichen aus auf leere Worte und politische Zeremonien.

Religionslobbyist: Aber was bleibt mir denn noch an Religion übrig, wenn mir die Mittel weggenommen werden, jede Religion sich ihre Anerkennung aus eigener Kraft verdienen muss und ihnen die Herrschaft geraubt wird? Stellen sie sich doch vor, wir müssten uns wie Vereine, NGOs und andere bemühen, die eigenen Anhänger zu mobilisieren. Wer würde sich für solch eine Religion begeistern, die ohne Posten, Status und nur im eigenen Wettbewerb besteht? Was hätten wir denn mehr zu bieten, als die eigenen Programme, das Engagement wie auch die Sichtbarkeit durch Positionen, die frei sind von einem doppelten Mandat aus Politik und Religion?

Zeitgeist: Seh‘ ich den Lobbyisten zittern?

Pförtnerin: Ich weiß nicht, aber bieten denn die Religionen wie Weltanschauungen nicht die Gaben der Orientierung, der Erfüllung, des Geistes? Heißt es bei den Christen nicht, je ärmer auf Erden, desto reicher in Christus? Im Islam nicht, dass Gott näher ist, als die eigene Halsschlagader? Bei den Buddhisten, dass das Ego ohnehin nur in die Irre geht? Genügt den Humanisten nicht der Mensch? Sind nicht auch die Religionsfreien glücklich? Stattdessen sehe ich hier einen Lobbyisten, am tiefsten von allen im Sumpf steckt, der versunken ist in Geld, Macht, Status und Allianzen, von den alltäglichen Lastern des politischen Geschäfts ganz zu schweigen. Und dann missbrauchen sie die Namen der Religionen, um den politischen Herrscher zu spielen, korrumpieren die Religion und maßen sich an, für sie zu sprechen. Sie meinen, dass sie entscheiden könnten, wer zu diesem Club gehört und wer nicht, obwohl sie selbst nicht nach dessen Regeln spielen. Was für einen Unterschied besteht zwischen ihnen und dem Industrie- oder Pharmalobbyist, außer dass sie sich immer mit dem Mantel der formalen Religion bedecken? Sie geben vor, für höhere Werte zu stehen, aber belegen dies nur durch die niedersten politischen Instinkte.

Religionslobbyist: Ich wünsche mir doch nur eine Religion wie Weltanschauung, die sich mit allen Gütern des Staates schmückt. Ohne großen Aufwand, den öffentlichen Status, die Bildung an den Schulen, gibt das Volk doch keinen Pfifferling für uns! Die ganze Bundesrepublik würde doch zusammenbrechen, wenn wir das Verhältnis von Staat und Kirche, Politik und Religion überdenken würden.

Zeitgeist: Hört, hört!

Pförtnerin: Ganz im Gegenteil! Wenn sich die Religionen und Weltanschauungen an ihre wahren Gaben halten könnten, die eigene Orientierung, ihre Programme, spirituelle Mobilisierung, ethische Tugenden und eine zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit, wie viel gäbe es zu gewinnen. Je gründlicher die Religionspolitik von der Sucht nach Gütern gereinigt ist, dem Drang nach Status und einer falschen Vermischung von politischen und religiösen Interessen, wie sehr könnten Religions- und Weltanschauungsfreiheit sich entfalten. Eine integrative Religionskunde oder Ethikunterricht an Schulen, würde Wissen wie Können hinsichtlich Religion und Kultur lehren, ohne die Menschen in Gruppen zu spalten. Religionswissenschaft und eine multikonfessionelle Theologie an den Universitäten könnten die kulturelle wie wissenschaftliche Beobachtung sichern, die erst im Anschluss, durch religionsgemeinschaftliche Ausbildung ergänzt würde. Eine zivilgesellschaftliche Religion, fern der staatlichen Politisierung, würde selbst bei Konfessionsfreien Bewunderung wecken. Wie die Dinge jetzt stehen, sind der Religions- wie Weltanschauungspolitik nicht nur denkbar enge Grenzen gesetzt, sondern sobald sie die Sache genauer betrachten, werden sie feststellen, dass die meisten Religiösen nur Nennreligiös sind. Haben sie sich als Lobbyist noch nicht gefragt, was die eigentlichen Stärken ihrer vermeintlichen Lobbyarbeit sind? Sie sprechen von einer Mehrung der Religion, wenn ihre Diener mit politischer Macht überladen sind; von einer Bereicherung der Gesellschaft, wenn Religion nur noch formal und als Status Bestand hat; sie nennen das blühend, wenn sie korrumpiert ist von staatlich-politischen Positionen; sie soll den sozialen Frieden fördern, wenn sie die eigenen Interessen wahrt. Mit dieser Schönrederei führen sie die Politik auf den Holzweg und leisten der Religionsfreiheit einen Bärendienst. Von Menschen wie Ihnen hat die Politik wieder gelernt Staatsbürgerinnen in Christen, Muslime, Juden, Agnostiker, Humanisten und Atheisten zu unterteilen, und jetzt nennen sie ihre Stimmenfängerei und Lobbyarbeit die „Verteidigung der Bundesrepublik“.

Religionslobbyist: So hat noch niemand mit mir gesprochen!

Pförtnerin: Wie hält es denn ihre Öffentlichkeitsarbeit?

Religionslobbyist: Von denen bekomme ich immer nur das reinste Lob zu hören. Wir berufen uns mal auf ein christliches, mal ein jüdisch-christliches, mal irgendein Abendland. Die kirchliche Religionspolitik beginnt für mich oft erst nach 1945, der Buddhismus ist eine friedliche Religion und den Islam überlasse ich zumeist den Verbänden. Die haben Veranstaltungen, wo es gilt Festreden zu halten, oder gründen Gruppen in Parteien, um Anhängerschaft zu mobilisieren. Natürlich argumentieren wir auf dem neuesten Stand der Wissenschaft, also eben von Theologie, oder halten es mit der Vernunft älterer Philosophen, die eine elitäre Religion wieder als moralischen Wertstoffhof entdecken. Überhaupt, der Religionspolitik in Deutschland geht es gut, denn von Alternativen weiß ich nichts!

Pförtnerin: Kein Wunder, dass ihr Lobbyismus nur als naiv zu betrachten ist, denn sie sind weder Fisch noch Fleisch und nehmen die Verfassung gerne als Rechtfertigung für die Privilegien der Etablierten. Dabei heißt die eigentliche Aufgabe eines religions- wie weltanschauungspolitischen Menschen: den anderen die Religionsfreiheit wie Gleichberechtigung nahebringen und zwar rein und ohne Vorbehalte.

Religionslobbyist: Sie lassen mich also nicht in den Bundestag?

Pförtnerin: Jeden lieber als sie! An Machtpolitikern mangelt es nicht und wenn jetzt auch noch die politische Religion hier allzu großen Einzug hält, muss ich wohl mir bald etwas in mein Pförtnerhaus hängen, mich anders kleiden oder Zeremonien besuchen, um meine Arbeitsstelle zu behalten. Aber sie wollen ja ohnehin einen Wirbel machen in Berlin, da gebe ich ihnen den praktischen Hinweis, dass sie doch lieber erst einmal in ihren eigenen Reihen für demokratische Verhältnisse sorgen, oder sich, da sie ja über so viel Macht wie Zuspruch verfügen, einfach ihre eigene Gesellschaft gründen und das Parlament in eine „lupenreine Demokratie“ verwandeln. In welcher Götter auch immer Namen und passen sie auf, dass alles befestigt ist, weil es sonst die bösen Humanisten, Agnostiker, Atheisten und Säkulare erobern.

Religionslobbyist: Auf keinen Fall! Ich tue, was mir den größten Vorteil bringt und werde mich an die großen Parteien wenden, damit sie alle, die zu viele Fragen stellen, oder mir den Zutritt zum hohen Haus verwehren, glatt zum Teufel jagen! Ohne jeden Zweifel werden bald schon hunderttausende wieder in Kirchen, Moscheeverbände und mehr eintreten, weil es zum guten Ton gehört, Lohn und Brot oder Amt und Mandat verspricht.

Pförtnerin: Ach du liebe Religionsfreiheit! Heda, Zeitgeist. Sind alle Religionspolitiker so wie er? Liegt es etwa an dir, dass auf einmal die politische Religion wichtiger ist, als ein säkularer Staat mit einer vielfältigen Gesellschaft?

Zeitgeist: Ein Gutteil ist aus demselben Holz geschnitzt. Sie halten es mit der Religion wie Karrieristen und spielen in ihren Parteien die Frommen. Allerdings liegt es nicht nur an mir, denn diese Leute halten mit mir nicht Schritt, sondern bleiben gerne zurück, wenn ich sie auch manchmal an die Hand nehmen will.

Pförtnerin: Jetzt wundere ich mich gar nicht mehr, dass so viele die Religions- und Weltanschauungspolitik meiden und es gilt mehr Säkularität zu wagen, da alle diesem naiven Lobbyisten nur huldigen, weil er den Titel „Religion“ trägt.

Zeitgeist: Sehr richtig! Aber sieh‘, er schleicht schon wieder eine Weile um den Bundestag und hat sich noch nicht erholt von dem Schock. Also leb wohl.

Literatur: Erasmus von Rotterdam: Papst Julius vor der Himmelstür. Julius exclusus e coelis. Lateinisch-Deutsch. Übersetzt, mit Anmerkungen und einem Nachwort von Werner von Koppenfels, Mainz 2011.