Brief an Stadtrat wegen Finanzierung Katholikentag

Dieses Schreiben wurde im Oktober versandt und kann natürlich auch gern als Arbeitshilfe für ähnliche Fälle verwendet werden.

 

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten

für die Trennung von Staat und Religion

-Bundessprecherkreis –

 

An die SPD-Stadtratsfraktion

der Stadt Münster

 

Katholikentag in Münster

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

wie den Medien zu entnehmen ist, steht in Münster der Katholikentag an und der Rat der Stadt hat eine Entscheidung über den gewünschten Zuschuss der katholischen Kirche zunächst vertagt, um sich hierzu noch zu beraten.

Es ist erfreulich, dass dabei nicht bereits reflexhaft eine Zusage über den gewünschten Zuschuss erfolgt ist, wie das bei finanziellen Wünschen der beiden großen Kirchen leider immer noch meist der Fall ist.

Ich möchte Euch im Namen der ca. 1.000 in unserem Arbeitskreis locker zusammengeschlossenen Genossinnen und Genossen ermutigen, die Prüfung sorgfältig vorzunehmen und dabei auch nicht nur die Argumente von Seite der Kirche zu hören, sondern auch neutrale Überlegungen mit einzubeziehen.

So sollte man durchaus bedenken, ob eine Organisation, die mit ca. 25 Mio. Mitgliedern in Deutschland rund 5 Milliarden Euro Kirchensteuereinnahmen erzielt, massive öffentliche Zuschüsse für ein „Bundestreffen“ benötigt. Diese Kirchensteuern werden, was vielen nicht bewusst ist, nur zu ganz wenigen Prozenten für soziale Zwecke eingesetzt (z.B. Zuschüsse zur Caritas), zum weit über 90%igen Teil jedoch für innerkirchliche Zwecke, Missionierung, etc. Aus diesen Geldern sollte deshalb die Finanzierung eines Bundestreffens wie dem Katholikentag selbstverständlich sein. Andere große Organisationen wie die Gewerkschaften, die Arbeiterwohlfahrt oder andere erhalten keine üppigen Zuschüsse für große Veranstaltungen, meist wird lediglich eine Stadthalle oder ähnliches vergünstigt zur Verfügung gestellt, wenn es sich um gemeinnützige Organisationen handelt.

Hinzu kommen hohe jährliche Zahlungen der Bundesländer an die Kirchen, die absurderweise auf die Staatskirchenverträge von 1803/04 zurückgehen und die über alle Währungsreformen hinweg und durch alle politischen Systeme hindurch auf heute üppige ca. 450 Mio. € angewachsen sind, allein in NRW sind es jährlich über 20 Mio. €, die u.a. für die Besoldung der Bischöfe aus Steuermitteln eingesetzt werden. Auch diese Mittel sind allein für „kirchenregimentliche Zwecke“, also nicht soziale Aufgaben. (Den weiteren Zuschüssen in Milliardenhöhe für soziale Einrichtungen wie Pflegeheime, Kindergärten etc. stehen dagegen Leistungen der Kirchen gegenüber, diese kritisieren wir in diesem Zusammenhang nicht.)

Angesichts des Wandels der Gesellschaft, der dazu geführt hat, dass heute über 40% der Menschen in Deutschland keiner der beiden großen Kirchen mehr angehören (und aufgrund der Überalterung der Kirchenmitglieder über 50% der Einkommensteuerzahler weder katholisch noch evangelisch sind) ist eine unreflektierte staatliche Bezuschussung der Kirchen nicht mehr zeitgemäß. Zur Religions- und

Meinungsfreiheit, die unser Grundgesetz festschreibt, gehört auch, dass der Staat und damit auch die Kommune sich in weltanschaulichen Fragen neutral verhalten sollte und keiner Religionsgemeinschaft hohe Zuschüsse oder andere Sonderrechte einräumen sollte, sofern diese nicht für klar definierte soziale Zwecke eingesetzt werden (wie z.B. gesetzliche Zuschüsse zu Kindertagesstätten etc.).

Öffentliche Gelder sollten dazu verwendet werden, öffentliche Interessen zu unterstützen und gerade nicht die Missionierung und Öffentlichkeitsarbeit von Religiongemeinschaften zu finanzieren. Die Programme eines Katholikentages dienen der Katholischen Kirche vor allem zur inneren Mission, der Zusammenführung von Jugend- wie Erwachsenenverbänden und der Vernetzung mit politischer und gesellschaftler Prominenz. Diese Lobbyarbeit nützt in erster Linie nur den katholischen Organisationen und bringt vorrangig Funktionäre und religiöse Spezialisten zusammen. Angebote und Programme, die sich hier nicht an die Stadtbevölkerung richten, kulturelle wie soziale Arbeit in den Vordergrund stellen und gerade kein öffentliches Interesse explizit wiederspiegeln, sollten nicht unterstützt werden.

In diesem Sinne bitte ich Euch, Eure Entscheidung gut abzuwägen und Euch dabei an Entscheidungen zu orientieren, wie sie bei anderen Großveranstaltungen in Münster (die keine der Stadt selbst sind), zu orientieren, denn Ihr setzt dabei die Steuergelder aller Bürgerinnen und Bürger ein, also auch der Konfessionsfreien, der Muslime und der aller anderen Glaubensrichtungen.

Für Rückfragen stehen wir selbstverständlich gern zur Verfügung, ich wünsche Euch noch einen interessanten und erfolgreichen Verlauf Eurer Beratungen. Als Münsteraner (heute bin ich Landtagsberater der SPD-Fraktion in Baden-Württemberg) liegt mir Eure Entscheidung natürlich besonders am Herzen.

Mit freundlichen Grüßen

Nils Opitz-Leifheit

(Mitglied des Bundessprecherkreises)