Antrag Bundestreffen 2012 Ein deutscher Laizismus

Laizistinnen und Laizisten in der SPD

3. Bundestreffen in Berlin am 3. November 2012

Antrag Nr. 1

Laizismus in Deutschland

 

Das Bundestreffen beschließt:

 

In der Bundesrepublik Deutschland sind nach dem Grundgesetz Staat und Kirche getrennt. Es geht dabei auf die – maßgeblich von Sozialdemokraten erkämpften – Errungenschaften der Weimarer Reichsverfassung zurück. Der Staat ist seither zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet. Es gibt keine Staatskirche mehr, und es besteht die Freiheit der Religion und Weltanschauung. Gleichwohl wurden im Grundgesetz die Rechte der Kirchen besonders hervorgehoben. So ist der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen garantiert und ebenso zum Beispiel die Militärseelsorge.

 

Das Gebot des Grundgesetzes zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen wurde schlichtweg ignoriert.

 

Die auf diese Weise entstandene Verflechtung von Staat und Religion war so nie verfassungsrechtlich gewollt, sondern sie entstand nach und nach durch erfolgreiche Lobbyarbeit der Kirchen, durch das Wirken kirchlicher PolitikerInnen und durch kirchenfreundliche Rechtsprechung.

 

Angesichts des starken Wandels unserer Gesellschaft (über 40% aller Menschen in Deutschland gehört nicht den beiden großen Kirchen an) ist dieser Zustand heute unzeitgemäß. Zugleich drängen weitere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, wie Muslime und Zeugen Jehowas, immer stärker darauf, auch in den Genuss staatlicher Privilegien und finanzieller Subventionen zu kommen.

 

Es ist deshalb an der Zeit, wieder auf die Einhaltung der grundgesetzlich geforderten weltanschaulichen Neutralität zu pochen und das Verhältnis von Staat und Religion im europäischen Kontext an den heutigen Erfordernissen auszurichten.

 

Wir fordern deshalb einen Laizismus deutscher Prägung auf der Basis unserer Verfassung. Dazu muss der Staat eine gleiche Distanz zu allen Weltanschauungen und weltanschaulichen Gemeinschaften einhalten und einseitige Privilegierungen bestimmter Denominationen beenden. Angesichts von 30 Millionen Konfessionsfreien in Deutschland muss insbesondere auch die negative Religionsfreiheit, also die Freiheit, keinen Glauben zu haben, geachtet und garantiert werden.

 

Diese weltanschauliche Neutralität muss sich insbesondere auch im Bildungswesen ausdrücken. In den Schulen ist allen Kindern ein gemeinsamer Ethik- und Religionskundeunterricht in staatlicher Verantwortung zu erteilen.

 

Privilegien wie die Zahlungen für Militär-, Gefängnis-, Polizei- und Krankenhausseelsorge sind abzuschaffen, ebenso die übertriebene Anzahl von Kirchenvertretern in den Verwaltungsräten der öffentlich-rechtlichen Sender.

 

Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften genießen das gleiche Recht auf politische Einflussnahme und öffentliche gesellschaftliche Teilhabe wie andere Nichtregierungsorganisationen, aber auch nicht mehr.

 

Arbeitsrechtlich dürfen sie nicht Staat im Staate sein. Über den üblichen Tendenzschutz hinaus müssen die gleichen Arbeitnehmerrechte gelten.

 

Finanziell und steuerrechtlich sind alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften anderen gemeinnützigen Organisationen gleichzustellen. Dabei haben sie, wie diese, die Gemeinnützigkeit ihrer Tätigkeiten gemäß der Abgabenordnung gegenüber den Finanzämtern regelmäßig nachzuweisen und diesen ihre Finanzen vollständig offenzulegen.

 

Auf dieser Basis hätten wir einen weltanschaulich neutralen Staat, der die Forderungen des Grundgesetzes auch wirklich erfüllt. Auf diesem „ebenen Spielfeld“ hätten alle Weltanschauungen innerhalb der geltenden Gesetze die gleichen Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten.

 

Wir laizistisch eingestellten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern diese Umsetzung unserer Verfassung, die einen deutschen Sonderweg beendet und uns zugleich religionspolitisch anderen europäischen Staaten in der EU angleicht.

 

 

 

Entwurf Opitz-Leifheit/ Bauer; Stand: 03.09.2012